„Wenn du mich liebst, dann …“ So fing es an, mit scheinbar harmlosen Worten. Damals, vor sechs Jahren, heiratete sie den zehn Jahre jüngeren Mann aus Liebe und aus Angst, irgendwann allein zu sein. Sie – eine scheinbar unabhängige und gebildete Frau, die ihr eigenes Geld verdient und die Welt realistisch wahrnimmt. Doch in der Corona-Krise eskalierte ihre Befürchtung, und sie fing an, ihren Mann zu kontrollieren, ihn zu erniedrigen und verbal zu verletzen – bis er ging.
Aufgrund der räumlichen Nähe während der Corona-Ausgangsbeschränkungen waren Paare gezwungen, auf engstem Raum miteinander auszukommen und konnten sich in Belastungssituationen nur schwer aus dem Weg gehen. So auch die 44-jährige Maria (Name geändert).
Ihr Mann verschloss sich ihr während dieser Zeit zunehmend und zog sich immer mehr zurück.
Das empfand sie als emotionale Zurückweisung, und so drängte sie ihn zu mehr Nähe. Als er nicht darauf einging, begann sie, ihn zu demütigen. Aus Eifersucht las sie seine Nachrichten auf dem Smartphone und kontrollierte seinen Browserverlauf. Immer fand sie einen Grund, ihn zu provozieren, ihm eine Szene zu machen und manchmal auch handgreiflich zu werden.
Eine Pilotstudie aus dem Jahr 2004, durchgeführt vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, brachte das Modell, dass Männer Täter und Frauen Opfer sind, ins Wanken. Jedem vierten Mann unter den 200 Studienteilnehmern wurde von seiner Partnerin körperliche Gewalt zugefügt. Doch die meisten Männer schwiegen aus Scham und suchten keine Hilfe.
30% der Männer in heterosexuellen Beziehungen haben mit psychischer & physischer Gewalt zu tun
Körperliche und seelische Gewalt kommen in allen sozialen Schichten vor. Während man bei einer Körperverletzung eine Anzeige bei der Polizei stellen kann, ist es deutlich schwieriger, sich vor seelischer Grausamkeit zu schützen.
Studien des Robert Koch-Institutes ergaben, dass häusliche Gewalt sowohl bei Frauen als auch bei Männern die gleiche Größenordnung hat
Solange männlichen Opfern keine Empathie entgegengebracht wird und das Klischee des starken Mannes, das in unserem kulturellen System vorherrscht, bestehen bleibt, kann durch das alte Rollenmodell keine Gleichberechtigung erreicht werden.
In Deutschland gibt es mittlerweile sieben Schutzeinrichtungen für gewaltbetroffene Männer und ihre Kinder, jedoch bieten diese lediglich Platz für 18 Männer. Laut BIG e.V. – der Berliner Initiative gegen Gewalt an Frauen – gibt es in Deutschland „353 Frauenhäuser und ca. 40 Schutz- bzw. Zufluchtswohnungen mit insgesamt über 6.000 Plätzen“. Das Thema findet jedoch wenig Beachtung, da man allgemein davon ausgeht, dass Männer sich wehren können. Doch diese Annahme entspricht nicht der Realität!
Während in den Mainstreammedien die weiblichen Täterinnen tabuisiert und geschützt werden, zeigt sich eine steigende Tendenz bei Gewalttaten von Frauen gegenüber ihren Partnern. Unter der Hotline (0800) 1239900 können sich Männer melden, die von Partnerschaftsgewalt betroffen sind.
Anastasia Weimer
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